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Fachkräftemangel im Bauingenieurwesen

Einleitung

Im Bereich des Bauingenieurwesens bilden die Schweizer Fachhochschulen an 10 Standorten der Schweiz etwa 60% der Schweizer Absolventinnen und Absolventen als Bachelor of Science in Bauingenieurwesen aus. Die übrigen 40% entfallen auf die beiden ETH’s. Sie sind damit ein gewichtiger Bildungspartner der Schweizer Bauindustrie auf tertiärer Stufe.

Zusammen mit der Schweizer Berufsbildung im Bauwesen bilden diese Studiengänge das praxisorientierte Rückgrat der Bauwirtschaft. Grundlage für eine wirkungsvolle Ausbildung an den Fachhochschulen ist eine engagierte Förderung der Berufsbildung durch die Bauwirtschaft und Politik.

Der Fachrat Bauingenieurwesen FH besteht aus Studiengangleitenden im Bauingenieurwesen aller Fachhochschulen. Diese stehen beständig mit der lokalen Bildungsketten z.B. der Berufsbildung bis hin zu den meist lokalen Arbeitgebern in Kontakt. In Informationsveranstaltungen und individuellen Beratungsgesprächen erfahren die Mitglieder aus erster Hand, was Studieninteressenten/innen, Studierende und Absolventen/innen beruflich bewegt.

Der Fachrat hat sich zum Ziel gesetzt die Baubranche jährlich aktualisiert am Expertenwissen teilhaben zu lassen, damit sie sich planbarer und besser auf die Anforderungen des Fachkräftebedarfs einstellen kann.

Entwicklungen im Marktumfeld

In allen Regionen der Schweiz wird seit einigen Jahren ein sich verschärfender Fachkräftebedarf an Bauingenieur/innen bemerkt. Die Anzahl an Absolvent:innen kann den Bedarf der Baupraxis bei weitem nicht abdecken. Dies hat Auswirkungen auf Weiterentwicklung des Wirtschaftsraums Schweiz und auf die gebaute Umwelt.

Das folgende Datenmaterial des Bundesamtes für Statistik (BfS) zeigt die Entwicklungen Angebotsseite in den letzten Jahren auf.

Tabelle 1: Eintritte und Abschlüssen Bauingenieurwesen FH und ETH, Bezugszeitraum 15 Jahre
Jahr 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022
Total FHs, Eintritte 1) 251 327 329 342 340 328 369 368 364 382 357 328 284 278 282
Total FHs, Abschluesse 2) 173 177 186 196 235 229 248 225 271 302 275 289 286 286 249
Total ETHs, Eintritte 3) 221 263 291 343 317 305 252 233 230 184 188 171 202 178 161
Total ETHs, Abschluesse 4) 80 81 90 108 112 128 139 176 167 187 169 198 170 174 172

Hinweis allgemein zum Datensatz FHs: Der im Fachrat gängigerweise mitgerechnete Studiengang in Yverdon der HEIG-VD lief unter dem Namen "Géomatique avec orientation construction et infrastructures" und wird daher in der Statistik zu den Studiengängen in Bauingenieurwesen nicht mitberücksichtigt.

  1. Als Eintritt gilt eine Person, die sich in einem gegebenen Herbstsemester erstmals auf einer bestimmten Studienstufe (Bachelor, Master, Diplom/Lizenziat, Doktorat, universitäre Weiterbildung, Aufbau- und Vertiefungsstudien) eines bestimmten Hochschultyps (universitäre Hochschule, Fachhochschule, pädagogische Hochschule) immatrikuliert (https://www.pxweb.bfs.admin.ch/pxweb/de/px-x-1502040200_183/-/px-x-1502040200_183.px/)
  2. Abschlüsse in UH-FH-PH-Fachrichtungen. Dabei werden lediglich die erfolgreichen Schlussprüfungen berücksichtigt. Als statistische Einheit der Abschlüsse gilt im SHIS das Diplom und nicht die Person, die es erworben hat, da eine Person mehrere Diplome erwerben kann. (Link: https://www.pxweb.bfs.admin.ch/pxweb/de/px-x-1503040200_112/-/px-x-1503040200_112.px/table/tableViewLayout2/)
  3. Als Eintritt gilt eine Person, die sich in einem gegebenen Herbstsemester erstmals auf einer bestimmten Studienstufe (Bachelor, Master, Diplom/Lizenziat, Doktorat, universitäre Weiterbildung, Aufbau- und Vertiefungsstudien) eines bestimmten Hochschultyps (universitäre Hochschule, Fachhochschule, pädagogische Hochschule) immatrikuliert. (https://www.pxweb.bfs.admin.ch/pxweb/de/px-x-1502040100_123/px-x-1502040100_123/px-x-1502040100_123.px/)
  4. Ausschliesslich Abschlüsse in anerkannten UH-FH-PH-Fachrichtungen/Studiengängen. Dabei werden lediglich die erfolgreichen Schlussprüfungen berücksichtigt. Als statistische Einheit der Abschlüsse gilt im SHIS das Diplom und nicht die Person, die es erworben hat, da eine Person mehrere Diplome erwerben kann. (Link: https://www.pxweb.bfs.admin.ch/pxweb/de/px-x-1503040100_101/px-x-1503040100_101/px-x-1503040100_101.px/table/tableViewLayout2/
Tabelle 2: Verteilung berufsqualifizierender Abschlüsse in Bauingenieurwesen zwischen FHs/ETHs, Bezugszeitraum 15 Jahre
Jahr 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022
Total FHs, Abschluesse 1) 173 177 186 196 235 229 248 225 271 302 275 289 286 286 249
Total FHs, Abschl. [%] 2) 68 69 67 64 68 64 64 56 62 62 62 59 63 62 59
Total ETHs, Abschluesse 3) 80 81 90 108 112 128 139 176 167 187 169 198 170 174 172
Total ETHs, Abschl. [%] 4) 32 31 33 36 32 36 36 44 38 38 38 41 37 38 41
Total FHs+ETHs, Abschluesse 5) 253 258 276 304 347 357 387 401 438 489 444 487 456 460 421
  1. Abschlüsse in UH-FH-PH-Fachrichtungen. Dabei werden lediglich die erfolgreichen Schlussprüfungen berücksichtigt. Als statistische Einheit der Abschlüsse gilt im SHIS das Diplom und nicht die Person, die es erworben hat, da eine Person mehrere Diplome erwerben kann. (Link: https://www.pxweb.bfs.admin.ch/pxweb/de/px-x-1503040200_112/-/px-x-1503040200_112.px/table/tableViewLayout2/)
  2. (Total FHs, Abschlüsse absolut) / (Total FHs+ETHs, Abschlüsse absolut), in [%]
  3. Ausschliesslich Abschlüsse in anerkannten UH-FH-PH-Fachrichtungen/Studiengängen. Dabei werden lediglich die erfolgreichen Schlussprüfungen berücksichtigt. Als statistische Einheit der Abschlüsse gilt im SHIS das Diplom und nicht die Person, die es erworben hat, da eine Person mehrere Diplome erwerben kann. (Link: https://www.pxweb.bfs.admin.ch/pxweb/de/px-x-1503040100_101/px-x-1503040100_101/px-x-1503040100_101.px/table/tableViewLayout2/)
  4. (Total ETHs, Abschlüsse absolut) / (Total FHs+ETHs, Abschlüsse absolut), in [%]
  5. (Total FHs, Abschlüsse absolut) + (Total ETHs, Abschlüsse absolut)

Hinweis allgemein zum Datensatz FHs: Der im Fachrat gängigerweise mitgerechnete Studiengang in Yverdon der HEIG-VD lief unter dem Namen "Géomatique avec orientation construction et infrastructures" und wird daher in der Statistik zu den Studiengängen in Bauingenieurwesen nicht mitberücksichtigt.

Tabelle 3: Trendbarometer 2023 - Fachrat Bauingenieurwesen FH (Eintritte und Anschlüsse), Bezugszeitraum 10 Jahre
Jahr 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025
Total FHs, Eintritte 1) 340 328 369 368 364 382 357 328 284 278 282
Total FHs, Abschluesse 2) 235 229 248 225 271 302 275 289 286 286 249
Prognose FHs, Abschluesse 3) 285 270 245 215 210 210

Hinweis allgemein zum Datensatz FHs: Der im Fachrat gängigerweise mitgerechnete Studiengang in Yverdon der HEIG-VD lief unter dem Namen "Géomatique avec orientation construction et infrastructures" und wird daher in der Statistik zu den Studiengängen in Bauingenieurwesen nicht mitberücksichtigt.

  1. Als Eintritt gilt eine Person, die sich in einem gegebenen Herbstsemester erstmals auf einer bestimmten Studienstufe (Bachelor, Master, Diplom/Lizenziat, Doktorat, universitäre Weiterbildung, Aufbau- und Vertiefungsstudien) eines bestimmten Hochschultyps (universitäre Hochschule, Fachhochschule, pädagogische Hochschule) immatrikuliert (https://www.pxweb.bfs.admin.ch/pxweb/de/px-x-1502040200_183/-/px-x-1502040200_183.px/)
  2. Abschlüsse in UH-FH-PH-Fachrichtungen. Dabei werden lediglich die erfolgreichen Schlussprüfungen berücksichtigt. Als statistische Einheit der Abschlüsse gilt im SHIS das Diplom und nicht die Person, die es erworben hat, da eine Person mehrere Diplome erwerben kann. (Link: https://www.pxweb.bfs.admin.ch/pxweb/de/px-x-1503040200_112/-/px-x-1503040200_112.px/table/tableViewLayout2/)
  3. Anzahl Eintritte mit einem Versatz von 3 Jahren und einem Dropout von 25% ergibt die Prognose der Abschlüsse, gerundet.

Im mittelfristigen Trend seit ca. 2016 ist eine deutliche Abnahme der Studieneintritte für ein Studium an einer ETH oder FH festzustellen. Die Eintrittszahlen haben sich dabei in den letzten drei Jahren auf einem unbefriedigenden niedrigen Niveau konsolidiert. Bei grenznahen Fachhochschulen zeigen sich robustere Eintrittszahlen, die u.a. mit ausländischen Studierenden begründet werden, welche auf dem attraktiven Schweizer Arbeitsmarkt ihre berufliche Zukunft sehen.

Die HEIG-FR in Yverdon hat ab 2023 einen neuen Studienplan ohne Bauingenieurwesen eingeführt. Der ursprüngliche Studienplan mit Bauingenieurwesen läuft damit aus. Ab 2023 werden deshalb nur noch an 9 Fachhochschulen Studierende für das Bauingenieurwesen aufgenommen. Dies folgt einer Marktentwicklung an den Hochschulen, sich im Finanzierungsdruck an die abnehmenden Zahlen der Studierenden und geänderter Studienbedürfnisse neu zu orientieren. Diese Neu- bzw. Umorientierung erfolgt durch Auf- und Abbau von Studiengängen, Anpassung neuer Studiengänge an die Bedürfnisse der Zielgruppen oder durch Sparmassnahmen in der Umsetzung von Studienplänen.

Hiermit wird auf den mittelfristigen Trend abnehmender Studierendenzahlen im Bauwesen reagiert, welcher durch die Demographie, die Abnahme der beruflichen Bildungsabschlüsse, durch Abwanderung von Lernenden im Bauwesen hin zu anderen Branchen bzw. durch mangelnde Branchenattraktivität im Vergleich mit anderen Branchen resultiert.

Grafik: Demographische Entwicklung Schweiz mit Blick auf Alter Berufseintritt und Pensionsalter

Hinweis zur Grafik: Die Alterspyramide sowie die Prognose wird herausgegeben vom Bundesamt für Statistik unter dem Titel «Alterspyramide der Schweiz, 1860 – 2050». Veröffentlichung per 24.08.2023. Die Grafik und deren zugrundeliegende Erhebung kann eingesehen werden unter: https://www.bfs.admin.ch/asset/de/26905514

Einschätzungen des Fachrats Bauingenieurwesen FH 2024:

  • Marktentwicklung Bauingenieur/innen: Mit den auf niedrigem Niveau konsolidierenden Eintrittszahlen der letzten Jahre 2021 bis 2023 kommen in den nächsten Jahren erst die Jahrgänge mit den niedrigsten Eintrittszahlen auf den Arbeitsmarkt. Bei gleicher Nachfrage nach Bauingenieuren/innen wird sich der Fachkräftemangel damit weiter verschärfen.
    Betrachtet man den demographischen Wandel der Schweiz ist eine weitere Verschärfung des Fachkräftemangel in den nächsten Jahren zu erwarten, wenn es die Baubranche nicht schafft, deutlich attraktiver gegenüber anderen Branchen für den beruflichen Nachwuchs zu werden.

  • Branchenattraktivität: Aufgrund der gestiegenen Durchlässigkeiten der Bildungskette wird Bildung individueller. Dies in Verbindung mit der Demographie führt für die heutige Generation zu vielfältigen beruflichen Wahl- und Wechselmöglichkeiten. Gegenüber anderen Branchen scheint es schwieriger, die heutige Generation auf das Bauwesen aufmerksam zu machen und sie in der Baubranche zu halten. Hohe Wechselraten von Zeichner/innen zeigen zudem, dass die Branche oft als nicht attraktiv genug wahrgenommen wird, um eine längerfristige Berufsperspektive darin aufzubauen. Die dringende Verbesserung der Branchenattraktivität müssen Arbeitgebende, Bildungspartner sowie Verbände gemeinsam und mit hoher Dringlichkeit anstreben.

  • Bildungstrends: Bei Studieninteressierten wird ein verstärkter Trend nach Teilzeitmodellen festgestellt, die eine parallele Beschäftigung zum Studium ermöglichen. Zusätzlich scheint die Nachfrage an grenznahen Studiengängen aus dem angrenzenden Ausland stabil zu sein bzw. gar zu zunehmen.

  • Gefahr für Bildungskette im Bauwesen: Das sich verändernde Marktumfeld aus Demographie, Finanzierungstrukturen der Bildung, Attraktivität Bauwesen für die heutige Generation und bildungspolitische Entwicklungen ergibt eine für das Bauwesen gefährliche Mischung und gefährdet die intakte Bildungskette im Bauingenieurwesen. In der Kette Berufswahl, Berufsbildung, Berufsmaturität und Fachhochschulstudium drohen Unterbrüche durch lokale Veränderungen der Angebote mit Auswirkungen auf die jeweils folgenden Bildungsangebote bzw. Abnehmer.

  • Branchenpotential: Das Bauwesen hat das Potential für die heutige Generation eine attraktive Branche zu sein. Mit attraktiven Arbeitsbedingungen und dem Bauwesen mit ihrer Sichtbarkeit als gebaute Umwelt ist das Bauingenieurwesen volkswirtschaftlich bedeutsam, gesellschaftlich relevant und kann vielfältige und sinnstiftende Tätigkeiten bieten. Diese gilt es nicht nur in die Generation Z und in die Gesellschaft, sondern auch in die Bildungspolitik zu tragen.

Linksammlung

Daten:
Bundesamt für Statistik: Demographie Schweiz
Bundesamt für Statistik: Eintritte und Austritte FH und ETH

Projekte zur Nachwuchsförderung des Bauingenieurwesen:
Für eine bessere Präsenz des Bauingenieurwesens in der Gesellschaft engagieren sich diverse Gruppen.
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Weitere Stimmen zum Fachkräftemangel aus der Baubranche:

Fachkräftemangel im Bauingenieurwesen. Die Expertise des Fachrats Bauingenieurwesen FH zum Download.

Gerne dürfen Sie hier die Expertise des Fachrats Bauingenieurwesen FH zum Fachkräftemangel im Bauingenieurwesen herunterladen.